Kay Fehr
SCHAFFHAUSEN. Wasserfahren mit dem Weidling hat in Schaffhausen eine lange Historie. Doch das Privileg, einen Weidling inklusive Anlegestelle zu besitzen, haben längst nicht alle. Hat ein Weidlings-Aficionado keine Beziehungen zu einem glücklichen Besitzer, dann wartet er 30 Jahre oder länger darauf, bis er den begehrten Platz erhaschen kann.
Seit letztem Jahr versucht der Verein Aktion Rhy, dieser Problematik Gegensteuer zu geben. Ihre Tauschplattform «myweidling» hat das Ziel, allen Interessierten eine Weidlingsfahrt zu ermöglichen – gleichzeitig sollen so die Kosten der Besitzer reduziert werden. Im ersten Jahr wurde das Angebot nur spärlich genutzt, dieses Jahr scheinen mehr Leute darauf aufmerksam geworden zu sein, erzählt Hanna Engelhart, Co-Präsidentin von Aktion Rhy. «Wir sind besser in den Frühling gestartet und haben bereits jetzt mehr Vermietungen als das gesamte vorherige Jahr.» Dazu beigetragen habe auch das schöne Wetter der letzten Wochen. Die fehlende Bekanntheit sei der Grund gewesen, warum das Projekt nicht wunschgemäss gestartet ist. Darum wurde unter anderem eine Kinowerbung geschaltet.
Tradition und Technologie verbinden
Werbung und Wetter sind aber nicht die einzigen Gründe, warum das Sharing jetzt besser klappt. Die Tagesmiete wurde von 120 auf 80 Franken gesenkt. Zudem gibt es neu die Möglichkeit eines Halbtax-Abos, das ein Jahr lang gültig ist. In diesem Zeitraum kostet die Miete dann nur 40 Franken, das Abonnement selbst kostet 200 Franken.
Das Mieten soll dank der Web-App intuitiv sein. «Ein Weidling ist innerhalb von drei Minuten gebucht», sagt Sebastian Schmid, der für die technische Umsetzung verantwortlich ist. Auf einer integrierten Karte könne eingesehen werden, wo sich der gebuchte Weidling befindet. Bezahlt werde mit Kreditkarte oder via Paypal. Schmid, der selbst gerne auf dem Rhein unterwegs ist, bezeichnet das Projekt als Symbiose von Tradition und digitaler Technologie.
Eine Voraussetzung, um Mieter zu werden, gibt es nicht – allerdings muss der Mieter bestätigen, dass er einen Weidling fahren kann und über eine Privathaftpflichtversicherung verfügt. «Es gibt kein offizielles Zertifikat», sagt Schmid. Wer auf den Rhein geht, der sei in erster Linie auch selbst verantwortlich. Für alle Fälle seien die Weidlinge, auf denen bis zu acht Personen Platz finden, vollkaskoversichert.
«Der Preis ist nicht profitorientiert»
Die Besitzer der bislang drei buchbaren Weidlinge seien Fans der Idee, sagt Engelhart; sie stünden dem Verein Aktion Rhy auch nahe. «Der Preis ist nicht profitorientiert, die Besitzer sollen aber einen kleinen Zustupf erhalten», so die Co-Präsidentin. Auch die laufenden Kosten der Plattform werden so getragen. Der einzige Aufwand für die Vermieter bestehe darin, dass sie den Weidling bei Eigenbedarf selbst reservieren müssen.
«Ich finde den Gedanken des Teilens schön», so Engelhart. In Zukunft soll sich das Projekt selbst tragen und die Kosten decken. Aktuell befindet sich das Weidling-Sharing mitten in einer dreijährigen Pilotphase. Darum sei es schwierig, jetzt bereits von Erfolg oder Misserfolg zu sprechen, sagt Engelhart. «Im Vergleich zum Vorjahr geht es jetzt aber auf jeden Fall bergauf.» Ende 2023 wird der Verein dann eine Retrospektive machen und entscheiden, ob er das Angebot weiter ausbauen wird. Bereits sicher ist, dass Mitglieder von Vereinen, die einen eigenen Weidling haben, diesen demnächst auch über die Plattform buchen können, um diesen Prozess zu vereinfachen.
Der von Aktion Rhy organisierte Stachelkurs ging letzte Woche zu Ende, die Nachfrage ist im Vergleich zum letzten Jahr stark angestiegen. «Schaffhauserinnen und Schaffhauser wollen mehr Zugang zum Rhein und zum Kulturgut Weidling haben. Wir bieten ihnen mit der Sharing-Plattform eine Möglichkeit dazu», sagt Engelhart. Schmid hat sich mittlerweile sogar von der Warteliste für einen Anlegeplatz streichen lassen. «Ich bin nicht oft genug auf dem Rhein, als dass ich einen Weidling für mich ganz alleine bräuchte. Die gemeinschaftliche Nutzung passt für mich gut.»