myweidling

Die Sharing-Plattform myweidling ist die neue Dienstleistung der Aktion Rhy.

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«Boots-Sharing» in Schaffhausen – und andernorts?

Wer in Schaffhausen einen Bootsplatz auf dem Rhein will, braucht viel Geduld – die Wartezeit beträgt rund 40 Jahre, wie «Espresso» in einer Reportage aufgezeigt hat. Doch wer mit einem sogenannten Weidling auf den Rhein möchte, muss nicht so lange warten. Der Verein «Aktion Rhy» hat eine Sharing-Plattform gestartet, wo die Weidlinge ausgelehnt werden können. Daneben gibt es auch ein «Halbtax-Abo», mit dem die Gebühr für das Ausleihen halbiert werden kann. Hanna Engelhart von «Aktion Rhy» ist überzeugt davon, dass das Modell auch an anderen Gewässern funktionieren würde.

Wolfgang Schreiber | 
 

Die Sharingplattform myweidling ist die neue Dienstleistung der Aktion Rhy. Nach zweijähriger Entwicklungszeit hat die Projektgruppe die Plattform vorgestellt.

Es ist ein ziemlich exklusives und, wenn ehrlich kalkuliert wird, auch ein ziemlich teures Vergnügen, das Stacheln, Rudern und Treibenlassen in einem Weidling auf dem Rhein. Reto Coutalides, nach langer, langer Wartezeit und seit Kurzem erst Inhaber eines Weidlingpfostens, hat errechnet, dass ihm bei zehn Fahrten pro Saison, eine Weidlingfahrt auf 270 Franken kommt. Coutalides stellte diese Rechnung am Montagvormittag im Lindli auf Höhe der «Lunas Crèpes» vor, als er mit Oriana Zehnder von der ­Aktion Rhy, mit Daniel Böhringer, der ­Stachelkurse gibt, mit Paul Engelhart und Programmierer Sebastian Schmied von der Firma Appmanufacture die neue «Sharingplattform für motorlose Weidlinge» vorstellte.

Vergnügen nicht mehr exklusiv

Die 270 Franken pro Fahrt sind für Coutalides zwar kein Grund zum Klagen, aber er und seine Kolleginnen und -kollegen vom Verein Aktion Rhy haben etwas ausgetüftelt, was einer Win-win-Situation entspricht. Dies deshalb, weil sie das exklusive Vergnügen nicht mehr so exklusiv machen, das heisst, dass sie auch für solche Leute eine Möglichkeit bieten, mit einem Weidling auf dem Rhein zu sein, die keinen Pfosten und keinen Weidling haben, und dass sie Weidlingbesitzern eine Möglichkeit bieten, die Kosten zu senken.

Aus diesen Gründen entstand innerhalb der Aktion Rhy die Idee, die Sharingplattform anzubieten, auf der sich Vermieter und Vermieterinnen von motorlosen Weidlingen mit Mietern und Mieterinnen treffen und einfach Weidlinge reserviert und genutzt werden können. Nach zweijähriger Entwicklungszeit präsentierte am Montagvormittag die Projektgruppe, bestehend aus Reto Coutalides, Paul Engelhart und Daniel Böhringer, nun offiziell die von der Firma Appmanufacture programmierte Plattform www.myweidling.ch.

Das Projekt wurde durch die Juristen Werner Oechslin und Beat Keller begleitet und juristisch geprüft.

fotografiert am 26. April 2021, in Schaffhausen.(Roberta Fele / Schaffhauser Nachrichten)

Tagesmiete 120 Franken

Mieter und Mieterinnen können sich per Computer oder Smartphone auf myweidling.ch mit wenigen Klicks einen Weidling reservieren. Dazu müssen sie sich auf der Plattform registrieren. Innerhalb des Buchungsprozesses müssen gewisse Fragen zwingend beantwortet und bestätigt werden. Erst wenn alle Fragen durch den Mieter oder die Mieterin bestätigt wurden, kann die Buchung abgeschlossen werden. Die Tagesmiete von 120 Franken wird elektronisch per Kreditkarte oder PayPal ­bezahlt. Nach erfolgter Buchung erhält der Vermieter oder die Vermieterin automatisch die Kontaktdaten der mietenden Person. In einer Bestätigungsmail erhält diese neben dem Schlüsselcode für den Schlüsselkasten, der sich auf dem jeweiligen Weidling befindet, Angaben zum Weidlingstandort, die Kontaktdaten des/der Vermieter/-in, sowie eine Checkliste für die Übernahme und Rückgabe. Und das Vergnügen mit dem ­motorlosen Weidling kann beginnen.

Zur Zeit sind drei bis vier Weidlinge zu mieten. Doch es sollen mehr werden. Die Vermieter und Vermieterinnen, welche einen Weidling zur Verfügung stellen wollen, unterschreiben einmalig einen Vermittlungsvertrag mit der Sharingplattform, in der alle rechtlichen und versicherungstechnischen Belange sowie Rechte und Pflichten definiert sind. Die Vermieterinnen registrieren ihren Weidling selbst auf der Plattform. Nachdem der Weidling durch die Sharingplattform vor Ort geprüft ist und alle Kriterien erfüllt sind, wird er zum Vermieten durch die Sharingplattform freigeschaltet.

Verhalten auf fliessendem Wasser

Von Vorteil ist, wenn der Mieter/die Mieterin einen Stachelkurs absolviert hat. Darauf hat Daniel Böhringer, der solche Kurs gibt, hingewiesen. Im Mai beginnt der nächste Stachelkurs. Natürlich kann man das Stacheln auch von den Eltern gelernt haben oder bei den Pontonieren. Wichtig ist: den Umgang mit dem Stachel und dem Ruder zu kennen, mit der Fahrweise und dem Verhalten auf fliessendem Gewässer vertraut und geschult zu sein und dabei die unvergleichliche Stimmung auf dem abendlichen Rhein geniessen zu können.

Ein Weidling für einen Tag

Bild und Text von Nathalie Homberger / 27. April 2021

Weidlinge gehören zum Bild des Rheins und zu Schaffhausen. Doch nicht jede Person besitzt einen Weidling oder erhält einen Bootsliegeplatz. Auf einer neuen Plattform können zukünftig Weidlinge gemietet werden.

Schaffhausen. Still liegen sie momentan im Wasser. Doch der Sommer naht und bald werden sie wieder zahlreich das Bild des Rheins prägen: die Weidlinge. Die Schaffhauserinnen und Schaffhauser sind stolz auf ihre traditionellen Fortbewegungsmittel auf dem Rhein. Mit Recht kann bei den Weidlingen und dem Stacheln auch von einem Weltkulturerbe gesprochen werden. Die Weidlinge an ihren Bootsliegeplätzen prägen das Bild der Lindlipromenade. Im Auftrag des Kantons vermietet die Stadt Schaffhausen rund 270 Bootsliegeplätze. Die Nachfrage nach den Mietpfosten ist riesig und Wechsel sind sehr selten. «Ich persönlich habe 30 Jahre gewartet, bis ich einen Bootsliegeplatz erhielt», erklärt Reto Coutalides, Mitglied des Vereins Aktion Rhy. Und das geht nicht nur ihm so. Doch manche Personen, die einen Weidling sowie einen Bootsliegeplatz besitzen, sind oft nur selten auf dem Rhein anzutreffen. «Es gibt sehr viele Leute, die mit ihrem Weidling vielleicht fünf bis zehnmal im Jahr auf dem Rhein sind. Es gibt aber sehr viele, die gerne auf den Rhein möchten, jedoch keinen Zugang haben.» Warum also nicht einfach den Weidling der Öffentlichkeit zugänglich machen? Aus diesem Grund hat die Aktion Rhy rund um die Projektgruppe mit Reto Coutalides, Paul Engelhart sowie Daniel Böhringer die Sharing-Plattform MyWeidling für motorlose Weidlinge entwickelt.

Gewinn für viele

Interessierte Personen können sich auf der Webseite myweidling.ch anmelden und einen Weidling mieten, Bootsbesitzer können dort ihren Weidling vermieten. Gemäss den Verantwortlichen von MyWeidling sei das eine Win-Win-Situation für alle. Einerseits fördert der Verein ein immaterielles Weltkulturerbe. Zudem haben mietende Personen keine Wartefristen, sparen sich die Anschaffungskosten und erhalten Zugang zum Rhein. Andererseits werden die Unterhaltskosten der Vermieterinnen und Vermieter gesenkt. Die mittleren Betriebskosten eines Weidlings – Abschreibung, Unterhalt, Lagerung, Pfostenmiete und so weiter – belaufen sich normalerweise auf rund 2700 Franken im Jahr. Wenn Private also etwa zehnmal im Jahr auf den Rhein gehen, dann entstehen Kosten von 270 Franken pro Fahrt.
Über MyWeidling zahlen interessierte Personen 120 Franken am Tag für die Miete. 70 Prozent davon gehen an die Vermieterinnen und Vermieter, 30 Prozent an die Aktion Rhy beziehungsweise an die Plattform. «Das Projekt ist so knapp selbsttragend», meint Reto Coutalides. Ein grosser Gewinn wird nicht erwartet und wenn «dann wird dieser in die Weiterentwicklung der Plattform investiert.»

Nur für erfahrene Personen

Doch wie funktioniert die Plattform? Die Vermieterinnen und Vermieter, die einen Weidling zur Verfügung stellen, unterzeichnen einen Vertrag mit der Plattform. Der Weidling muss eine gewisse Grundausstattung aufweisen, was von der Aktion Rhy geprüft wird. Die Bootsbesitzer registrieren ihre Weidlinge dann selbst auf der Plattform. Für die Eigennutzung können jederzeit Sperrtage eingetragen werden.
Und wer darf einen Weidling mieten? Ein Bootsführerschein ist zwar nicht notwendig, da es sich um motorlose Weidlinge handelt, aber das Angebot ist nur für Personen gedacht, die auch genügend Fahrkenntnisse und Erfahrung auf dem Rhein besitzen, erklärt Reto Coutalides mit Nachdruck. Bei der Buchung müssen entsprechende Angaben bestätigt werden. «Der Steuermann oder die Steuerfrau sind juristisch haftbar. Wenn etwas passiert, dann hat es für die Person massive Konsequenzen, sollte sie bezüglich Fahrkenntnissen falsche Angaben gemacht haben.» Für Personen, die keinerlei Rhein-, Weidlings- oder Stachelerfahrung besitzen, gibt es jedoch Abhilfe: die Aktion Rhy bietet Stachelkurse für Anfänger an. «So lernt man Stacheln sowie neue Leute kennen und kann nachher ganz einfach per Knopfdruck auf den Rhein», sagt Reto Coutalides.
Die Bezahlung erfolgt elektronisch. In einem Bestätigungsmail erhalten die Mieterinnen und Mieter dann nebst dem Code für den Schlüsselkasten auf dem jeweiligen Weidling, Angaben zum genauen Standort des Weidlings, die Kontaktdaten der Bootsbesitzerinnen und -besitzer sowie eine Checkliste für die Übernahme und die Rückgabe. Umgekehrt erhält der Vermieter gleichzeitig eine E-Mail mit der Mietdauer und den Kontaktdaten der Mieterinnen und Mieter.

Testphase von drei Jahren

Von der Idee bis zur gestrigen Lancierung der Plattform sind etwa zwei Jahre intensiver Arbeit vergangen. Umso mehr freut sich Reto Coutalides, dass nun eine professionelle Webseite zur Verfügung steht. Das Projekt geht erstmal in eine dreijährige Feldtestphase. Dabei werden die Abläufe, die Organisation sowie die Applikation stetig optimiert. Zu Beginn des Tests kann die interessierte Bevölkerung vier Weidlinge mieten – drei private Personen haben ihre Weidlinge schon zur Verfügung gestellt, ein viertes Boot wird noch gesucht. Reto Coutalides versteht es, wenn Weidlingsbesitzer dem Projekt noch etwas skeptisch gegenüberstehen. «Man gibt ja auch etwas her, dass einem sehr nah steht.» Aber der Verein habe eine gute Versicherungslösung gefunden, weshalb es keine Bedenken geben müsste. «Wir haben das alles mit Juristen intensiv geprüft», so das Vereinsmitglied.
Auf die Frage hin, was die Verantwortlichen nun erwarten, antwortet Reto Coutalides mit einem Lächeln: «Keine Ahnung. Es ist ein spannendes Projekt, die Aufmerksamkeit ist bereits gross.» Nach der dreijährigen Testphase wird entschieden, ob und wie die Sharing-Plattform weiter betrieben wird. Aber was Reto Coutalides schlussendlich besonders wichtig ist: «Wir möchten eine Fortbewegungsart fördern, die absolut nachhaltig ist.»

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