Mit einem neuen Reglement verschärft die Stadt Schaffhausen ihre Regeln für die Vergabe von Bootsliegeplätzen. Damit soll das Warten auf einen freien Platz verkürzt werden. VON DANIEL JUNG Schaffhauser Nachrichten vom 17.2.2016
«Es gibt in der Stadt Schaffhausen viele Reglemente», sagte Stadtrat Simon Stocker gestern vor den Medien, «doch wohl bei keinem anderen sind so viele Emotionen im Spiel wie bei diesem.» Der Sicherheitsreferent sprach vom Reglement über die Benützung der Bootsliegeplätze, das nun grundlegend überarbeitet worden ist. Per 1. April 2016 gelten zahlreiche Neuerungen. Die Änderungen betreffen in erster Linie die Handhabung der Warteliste sowie den Wohnsitznachweis. «Die bisherige Praxis hat immer wieder zu Unmut geführt, weil neue Interessenten praktisch keine Chance sahen, in nützlicher Frist einen der sehr beliebten Bootsliegeplätze zu bekommen», hält der Stadtrat fest.
Warten kostet 30 Franken pro Jahr Neu führt die Stadtpolizei eine gebührenpflichtige Warteliste. Ein Listenplatz kostet 30 Franken pro Jahr. Die Anwärterinnen und Anwärter werden auf der Warteliste ab Erreichen der Volljährigkeit in der Reihenfolge ihrer Anmeldung geführt. Die Liste kann bei der Stadtpolizei eingesehen werden. Aktuell werden in der Stadt Schaffhausen noch zwei getrennte Wartelisten (mit/ohne Motor) geführt. Darauf sind derzeit insgesamt 632 Einträge verzeichnet. Diese beiden Listen werden nun bereinigt und zusammengeführt. «Die Liste bleibt zwar lang, aber es gibt nun mehr Gründe, sich streichen zu lassen», sagte Stocker.
Wohnsitznachweis nötig Wer künftig auf die Warteliste möchte, muss einen Wohnsitz im Kanton Schaffhausen nachweisen. Ebenfalls zulässig ist der Wohnsitz in einer Anrainergemeinde am Rhein zwischen Stein am Rhein und Buchberg, welche Schaffhauser Kantonseinwohnern bei ihren Bootsplätzen ein Gegenrecht gewährt (siehe Kasten). Wartelistenplätze können nicht vererbt oder abgetreten werden. Pro Haushalt kann nur noch eine Person auf der Warteliste eingetragen werden, ebenso kann nur die Zuteilung eines Bootsliegeplatzes pro Haushalt beansprucht werden. Wer einen Bootsliegeplatz zugeteilt erhalten möchte, muss ebenfalls einen Wohnsitznachweis im Kanton Schaffhausen oder in einer Anrainergemeinde mit Gegenrecht vorweisen.
Rund 20 Pfostenentzüge geplant Bisher konnten Bootsplätze auch dann behalten werden, wenn die Besitzer aus Schaffhausen wegzogen. Das wird künftig nicht mehr der Fall sein: Erfüllt jemand die Wohnsitzpflicht nicht, so wird der Weidlingspfosten entzogen. Der Entzug erfolgt jeweils auf Ende Jahr. Zum ersten Mal wird dies Ende 2018 geschehen. «Dann werden wohl rund 20 Pfosten frei werden», sagte Stocker. Das heisst: Ende 2018 werden rund 20 Personen ihren Bootspfosten in Schaffhausen verlieren, weil sie nicht im Kanton Schaffhausen in oder einer der Anrainergemeinden mit Gegenrecht wohnen.
Weidlingsvereine fördern Um möglichst vielen Personen den Zugang zum Rhein zu gewährleisten, sich an einen offenen Benutzerkreis wenden und als Zweck die gemeinschaftliche Nutzung des Rheins mit Weidlingen verfolgen, bei Bedarf bei der Vergabe bevorzugt werden können. «Ein kleiner Teil der Pfosten, die aufgrund der Wohnsitzregelung frei werden, könnte an solche Vereine vergeben werden», sagte Stocker. Das neue Reglement erlaubt es der Stadtpolizei zudem, einzugreifen, wenn ein Bootsliegeplatz nicht genutzt wird, das Boot Nachbarboote gefährdet oder verwahrlost ist. Wenn ein Boot nicht spätestens am 31. Juli an seinem Platz liegt, verlangt die Stadtpolizei eine Begründung. Ohne entsprechende Meldung wird der Platz entschädigungslos entzogen. Die Stadtpolizei kann zudem ein Boot auswassern oder entfernen lassen, wenn es unbefugt angelegt ist, ein Nachbarschiff gefährdet, verwahrlost oder ohne gültige Betriebsbewilligung ist.
Vererbung klar geregelt Gemäss dem bisherigem Reglement konnten Bootsliegepfosten nur ausnahmsweise an Nachkommen vererbt werden – in der Praxis wurden die Pfosten trotzdem häufig vererbt. «Weidlinge werden in den Familien oft intensiv genutzt», sagte Stocker. Ein Vererbungsverbot würde ganze «Weidlingsdynastien» zerstören. Deshalb wurde die Vererbung nun erleichtert: Die Weitergabe des Bootsliegeplatzes ist explizit an direkte Nachkommen, Ehepartner oder eingetragene Partner zugelassen. Aber auch bei einer Weitergabe müssen die Nachkommen ihren Wohnsitz im Kanton oder in einer Anrainergemeinde haben.
Die Ausgleichsregel fällt Im bisherigen Reglement ist festgehalten, dass die Weidlinge an den Schaffhauser Pfosten nur zur Hälfte motorbetrieben sein dürfen. In den letzten zwei Jahren, nachdem das Gleichgewicht erreicht worden war, wurden abwechselnd Liegeplätze mit und ohne Motorberechtigung vergeben. Diese Regelung fällt nun weg. Künftig wird keine Unterscheidung nach Antriebsart mehr gemacht. Das neue Reglement tritt auf den 1. April 2016 in Kraft. Es gelten jedoch zahlreiche Übergangsbestimmungen. Nicht verändert wurde die Nutzungsgebühr pro Pfosten: Sie beträgt weiterhin 480 Franken pro Jahr. Mit dem Reglement kommt der Stadtrat den Aufträgen aus Vorstössen von Grossstadtrat Thomas Hauser aus dem Jahr 2010 und von Till Hardmeier aus dem Jahr 2012 nach. Das neue städtische Reglement lehnt sich an das Bootsplatzreglement des Kantons Schaffhausen an, welches per 1. Januar 2015 in Kraft getreten ist.
Idyyl in Gefahr 25.2.16
Das Idyll ist in Gefahr
Bürgerliche Mehrheiten in Kantonsrat und Stadtrat kippen die Ausgleichsregel für Weidlinge. Die Erfolge eines 30 Jahre alten linken Kampfes werden torpediert. Schützenhilfe bekommen die Bürgerlichen ausgerechnet von AL-Stadtrat Simon Stocker.
Marlon Rusch / AZ vom 25.2.2016
Köbi Hirzel ist wütend. Vor über 30 Jahren liess sich der heute 66-Jährige auf die Warteliste für einen Weidlingspfosten eintragen. In der Zwischenzeit ist er bis auf Platz 16 geklettert. Noch vier, fünf Jahre, dann hätte der passionierte Stachler endlich einen Pfosten bekommen. Nun, mit dem neuen Reglement über die Benützung der Bootsliegeplätze, das Stadtrat Simon Stocker (AL) vergangene Woche vorstellte, ist Hirzel auf Platz 111 zurückgefallen – «wie beim Leiterlispiel!» Das Spielfeld wurde vom Stadtrat kürzlich gründlich umgepflügt: Die drei Wartelisten für Halter von Stachelweidlingen, Motorweidlingen und Unschlüssigen wurden zu einer Liste zusammengeführt. So wollte es Grossstadtrat Thomas Hauser (FDP), der den Stadtrat 2010 mit einem Postulat aufgefordert hatte, zu prüfen, ob die sogenannte «Ausgleichsregel» gestrichen werden könne. Die Regel, die seit 1986 gilt und damals auf Druck der «Aktion Rhy» in Kraft getreten war, besagt, dass bei der Vergabe von Bootspfählen Halter von motorlosen Weidlingen bevorzugt werden sollen, bis gleich viele motorlose Weidlinge wie Motorweidlinge auf dem Rhein schwimmen. Seit 2014 ist die 50/50-Quote erreicht. Derzeit werden die Bootsliegeplätze abwechselnd vergeben. Mit einem gut orchestrierten Angriff wurde dieses nautische Patt nun zuerst von der bürgerlichen Mehrheit im Kantonsrat, dann vom bürgerlich dominierten Stadtrat aufgehoben: Bis anhin war die Ausgleichsregel im kantonalen Richtplan verankert. Nach einem Vorstoss aus der FDP wurde besagter Passus vor eineinhalb Jahren vom Kantonsrat gestrichen. Im Oktober 2015 hat der Bund den revidierten Richtplan genehmigt. Dies ermöglichte dem Stadtrat, das Postulat von Thomas Hauser wieder aus der Schublade zu holen.
Jeder darf, wie er will Gemäss Simon Stocker, der als Sicherheitsreferent für das Geschäft verantwortlich ist, hat der Gesamtstadtrat die 50/50-Regelung geprüft und ist zum Schluss gekommen, «dass er sie aufheben will». Interna möchte Stocker nicht verraten, jedoch habe es sich um einen Beschluss des Gesamtstadtrates gehandelt, den er «mittragen muss». Angesichts der Mehrheitsverhältnisse (SVP und FDP halten drei von fünf Sitzen) verwundert die Abschaffung der Ausgleichsregel kaum. Die neue Rechtsgleichheit gilt nicht nur für Aspiranten, die künftig entscheiden können, ob sie ein Boot mit oder ohne Motor an ihren neuen Pfosten hängen. Sie gilt auch für alle bisherigen Halter. Vor Einführung der Ausgleichsregel 1986 fuhren auf dem Rhein markant mehr Motor- als Stachelweidlinge. Es ist anzunehmen, dass der Trend wieder dahin zurückgeht. Das Argument, das Simon Stocker an der Pressekonferenz letzte Woche vorbrachte – 50/50 sei erreicht, deshalb sei die Ausgleichsregel nicht mehr nötig – greift nicht. Dies gibt er auf Nachfrage auch zu: «Die 50/50-Regel aufzuheben, ist und war ein politischer Entscheid». Die Empörung der Stachler-Lobby um «Aktion Rhy»-Präsident René Uhlmann ist gross. Er schreibt in einer Stellungnahme: «Dieser unverständliche Akt ist eine schallende Ohrfeige für die rund 30 Jahre anhaltenden Bemühungen, ein einigermassen gesundes Gleichgewicht […] zu bewahren, respektive zu schaffen.»
Stocker hatte freie Hand Das neue Reglement polarisiert, es erklärt jedoch noch nicht, wie Köbi Hirzel von Wartelistenplatz 16 auf 111 fallen konnte – mit 95 Motorweidlingen dazwischen. Gemäss Simon Stocker wurden die drei Wartelisten so zusammengeführt, dass als erster einen Pfosten bekommt, wer am längsten warten musste. Für Stocker, dessen Sicherheitsreferat in diesem Punkt Entscheidungsgewalt hat, ist das die fairste Variante. Nebeneffekt: Dadurch, dass zwei Jahrzehnte lang Halter von Stachelweidlingen bevorzugt wurden, um sich der 50/50-Quote anzunähern, sind diejenigen, die am längsten warten, allesamt Halter von Motorweidlingen. Ein Blick auf die Liste zeigt: Der erste Wartende, der angibt, einen Stachelweidling an seinen Pfahl hängen zu wollen, steht auf Listenplatz 39. 2018, wenn die Liste gestrafft wird und einige Halter ihren Liegeplatz verlieren werden, etwa weil sie nicht im Kanton wohnen, werden 20 bis 30 Plätze frei. Dann werden 20 bis 30 neue Motorboote eingewassert – nebst denen, die ihren bisherigen Stachelweidling mit Motor aufrüsten werden. Stockers Argumentation, dass es keine Rolle spielt, wer wo auf der Liste steht, weil jeder Halter selber entscheiden könne, ob er einen Motor an sein Boot montieren will, ist nur die halbe Wahrheit. Wieso sollen sich die zukünftigen Halter plötzlich umentscheiden, nachdem sie sich auf eine Motorenlisten haben schreiben lassen, mit dem Wissen, dass es länger dauert, bis sie einen Pfahl bekommen? Köbi Hirzel lässt sich vom Rückschlag nicht aufhalten. Er ist im Begriff, einen Halterverein zu gründen, mit dem er sich erneut für einen Bootspfahl bewerben will. Simon Stocker hat angekündigt, Haltervereine bevorzugt zu behandeln. Sein Bereichsleiter Sicherheit und öffentlicher Raum, Romeo Bettini, sagt jedoch, man wisse noch nicht, wie das genau funktionieren soll. «Wenn es einen oder zwei Vereine gibt, haben die wohl gute Chancen, bald einen Pfosten zu bekommen. Wenn es plötzlich zehn oder zwanzig sind, wird es schwieriger.» Ein weiteres Problem birgt die neue Regel, dass pro Haushalt nur noch eine Person auf der Warteliste stehen darf. Die Regel gilt auch für Wohngemeinschaften, obwohl sie oft nur wenige Jahre bestehen. «Solche Fragen klären wir in einer Sitzung am 3. März», sagt Bettini. Dann wäre es theoretisch auch möglich, die Zusammenführung der Wartelisten noch einmal zu überdenken. Die «Aktion Rhy» überlegt sich bereits, wie sie gegen das neue Reglement ankämpfen könnte. Sich nach 30 Jahren Kampf geschlagen zu geben, kommt für die alte Garde nicht infrage. Auch wenn René Uhlmann weiss: «Diesmal wird es schwierig.»
Fakten zur 50/50 Regelung 25.2.16
Vernünftiger Konsens kaltblütig ausgehebelt
Abgrundtiefes Unverständnis und helle Empörung – das ist die einhellige Reaktion auf das neue Reglement zur Vergabe von Bootsliegeplätzen bei Stachlern und anderen unmotorisierten Nutzern des Rheins: die bisher bestehende Beschränkung motorisierter Boote soll ersatzlos aufgehoben werden. Dieser unverständliche Akt ist eine schallende Ohrfeige für die rund 30 Jahre anhaltenden Bemühungen, ein einigermassen gesundes Gleichgewicht zwischen motorisierten und unmotorisierten Bootsnutzern auf dem Rhein zu bewahren, respektive zu schaffen.
Man darf dem Stadtrat mit Sicherheit guten Willen attestieren, als er das Reglement für Bootsliegeplätze überarbeitete, mit dem Ziel, die Organisation zu straffen und die Chancen für die Bootspfahlaspiranten zu verbessern. Wobei man ja ehrlicherweise sagen muss, dass diese Bestrebungen, wie gut sie auch gemeint sein mögen, höchstens marginale Aussicht auf Erfolg haben. Denn den rund 250 Pfosten, welche die Stadt vermietet, stehen über 600 Anwärter gegenüber. Die beschlossenen Massnahmen zur Besserung der Situation kann man also in guten Treuen für gut oder schlecht befinden, ändern werden sie kaum etwas.
Mit einer Ausnahme: Bisher galt der Grundsatz, dass neue motorisierte Boote an den städtischen Pfosten erst zugelassen werden, wenn das Verhältnis zwischen diesen und den unmotorisierten ausgeglichen ist. Schon damals konnte man sich fragen, wie man auf ein solches Verhältnis kommen könne; sinnvoller und klarer wäre von Anfang an folgende Regelung gewesen: Solange es Anwärter für motorlose Boote gibt, werden diese bevorzugt. Nun, wir wollen nicht klagen, und mit der fifty-fifty-Regelung konnte man durchaus leben, sie war mindestens eine ernsthafte Absichtserklärung, den überbordenden Motorbootverkehr einigermassen vernünftig zu regulieren.
Würde die neue Regelung nur frische Bootpfahlmieter betreffen, könnte man damit leben, weil so nur eine marginale Zunahme möglich wäre. Jetzt aber können, aus Gründen der Rechtsgleichheit, auch alle bisherigen Mieter an ihrem Gefährt einen Motor installieren. Jahrzehntelange Bemühungen sind so mit einem Federstrich zunichte gemacht worden. Das angestrebte fifty-fifty-Ziel sei erreicht worden, erklärt der Stadtrat blauäugig. Dieses Verhältnis, darauf kann man wetten, wird binnen kürzester Zeit wieder massiv durchbrochen werden – zugunsten der Motörler.
Wer jetzt argumentiert, das sei ein Schritt zur Gleichberechtigung, dem sei folgendes Beispiel entgegen gehalten. Ein Anwärter, der seit 30 Jahren auf der berüchtigten Warteliste steht, hat es geschafft, bis auf Platz 16 vorzustossen. Jetzt wurde ihm von der Stadtverwaltung mitgeteilt, er sei «dank» dem neuen Reglement auf Platz 111 zurückgefallen. Ob so etwas gerecht ist oder nicht, soll jeder und jede für sich entscheiden. Könnte man nicht wenigstens eine Pfostenzuweisung abwechselnd zwischen motorisierten und unmotorisierten Booten einführen? Das wäre immerhin ein Gebot von Fairness.
Fest steht für die Unterzeichnenden auf jeden Fall, dass durch diesen unüberlegten stadträtlichen Beschluss der Flusslandschaft Rhein ein erheblicher Schaden zugefügt wird. Der seit kurzem im Kino laufende Film «die Rheinmacher» zeigt in eine ganz andere Richtung: Wie die Bemühungen und ganz konkreten Arbeiten aussehen (können), um unseren Hausfluss möglichst naturnah zu erhalten oder, wo nötig, zu sanieren. Ein Unterfangen, das eigentlich Hoffnung machen sollte. Insbesondere auch deshalb, weil die Reaktionen auf den Film und dessen Inhalt ausschliesslich positiver Natur sind.
Für die Aktion Rhy: René Uhlmann, Rolf Baumann, Max Baumann, Werner Bächtold, Hans Bendel, Paul Engelhart, Antonia Eisenhut (Aqua Viva), Andrea und Urs Herzig, Köbi Hirzel, Daniel Leu, Werner Oechslin, Susi Plaas, Christoph Schmutz, Othmar Schwank, Lisi Wihler, Barbara Wirz, Helen Zehnder
Initiative wird lanciert 12.4.16
Warum eine Initiative zur Beibehaltung der «Fifty-fifty-Regelung»?
Seit 1986 gilt die Regelung, wonach an den Bootspfählen der Stadt Schaffhausen zur Hälfte Boote mit und zur Hälfte Boote ohne Motoren hängen dürfen. Diese Regelung soll nach dem Willen des Stadtrates fallen. Das würde nicht nur bedeuten, dass in den kommenden Jahren Bootspfähle, die frei werden, nur an motorisierte Boote vergeben werden (weil sich auf der Warteliste soviele Motorbewerber angestaut haben); weit gravierender aber ist, dass ab dem 1. April auch diejenigen Boote und Weidlinge mit Motoren ausgerüstet werden können, die bisher unmotorisiert waren. Zu rechnen wäre demnach mit einer Zunahme von 30 bis 50 neuen Motorbooten auf dem Rhein in kürzester Zeit.
Die bisherige Regelung hat sich absolut bewährt, weil sie niemandem weh tut. Wohl aus diesem Grund hat es auch nie eine nennenswerte Opposition dagegen gegeben. Niemand, der ein motorisiertes Boot an den städtischen Pfosten hatte, musste diesen aufgeben, für freiwerdende Pfosten wurden einfach nur unmotorisierte Boote zugelassen, bis das Verhältnis eins zu eins erreicht war.
Mit dieser Strategie hat sich die Zahl der Motorisierten im Lauf der Jahre sukzessiv verringert; der Bestand ist sicht-, hör- und spürbar zurückgegangen.
Damit ist es auf dem Rhein deutlich ruhiger geworden, denn Motorboote verursachen noch immer Lärm (auch wenn sich diesbezüglich einiges gebessert hat) und Wellen, sie sind damit ein grosser Störfaktor des Ökosystems Rhein. Denn die meisten Motorböötler sehen den Rhein nicht als ein hohes und schützenswertes Naturgut, sondern vielmehr als eine Wasserstrecke, die beliebig konsumiert werden kann. Unzählige motoren auch im Sommer und bei genügend Strömung flussabwärts, statt sich von den Fluten treiben zu lassen.
Störend sind die Motorboote nicht nur für Stachelweidlinge (Stacheln bei Wellenschlag ist ausgesprochen mühsam), sondern auch für Ruderboote, Kanus und Kajaks, dann aber auch für die zahlreichen Fussgänger und Wanderer am Ufer des Rheins, die beim Spazieren, ebenso wie bei einer Rast oder einem Picknick, gerne ihre Ruhe hätten.
Stacheln und stehrudern auf Weidlingen macht weder Lärm noch Wellen und hat eine Jahrhunderte alte Tradition, Motoren gibt es erst seit knapp 100 Jahren. Weil ganz allgemein das, was machbar ist, eben auch ohne Rücksicht auf die Folgen umgesetzt wird, werden die Handstachler mehr und mehr vom Wasser verdrängt (zwischen Schaffhausen und Stein am Rhein stehen sich über 1000 motorisierte Boote 239 Unmotorisierten gegenüber). Die Beibehaltung der «fifty-fifty»-Regelung bedeutet deshalb nicht dass die Stachelweidlinge bevorzugt, sondern dass sie gleichberechtigt behandelt werden.
Im hochgepriesenen Film «die Rheinmacher» wird auf eindrückliche Weise gezeigt, wie sich Naturschutzleute und Experten bemühen, unseren Hausfluss möglichst naturnah zu erhalten oder, wo nötig, zu sanieren, um dem Rhein seine Würde und seine Schönheit so gut wie möglich wieder zum Leuchten zu bringen. Die Stadt Schaffhausen ist stolz darauf, dass sie vor bald 30 Jahren als erste Energiestadt der Schweiz ausgezeichnet wurde und bei der letzten Rezertifizierung den Gold-Award für Energiestädte erhalten hat. Die Beibehaltung der «fifty-fifty»-Regelung wäre auch daher einfach konsequent.
Aus all diesen Gründen haben wir uns dafür entschieden, eine Initiative unter dem Titel Volksinitiative «Bootsliegeplätze fifty-fifty – für Ruhe und Erholung am Rhein» zu lancieren. Wir bitten alle, die sich von der Thematik angesprochen oder betroffen fühlen, uns dabei aktiv zu unterstützen.
Aktion Rhy
Seit den 80er Jahren engagiert sich die «Aktion Rhy» für eine Beruhigung auf dem Rhein zwischen Schaffhausen und Stein am Rhein, im Klartext: für eine Beschränkung der motorgetriebenen Boote. Ein grosser Fortschritt in dieser Sache war die Reduktion der erlaubten Geschwindigkeit: Galten früher 30 Stundenkilometer als erlaubt, wurde die Höchstgeschwindigkeit auf 10 km/h flussaufwärts und 20 km/h flussabwärts beschränkt. Noch längst halten sich nicht alle Motorbootführer daran, dennoch gab es eine klare Verbesserung der Situation.
Und 1986 fügte der Stadtrat dann den Art. 2a in das Bootsreglement ein, welches wörtlich besagt: «Die Bootsliegeplätze der Stadt Schaffhausen werden so vergeben, dass es zur Hälfte Boote mit und zur Hälfte Boote ohne Motoren hat». Weil die Pfosten im Lindli – deren 278 – im Besitz der Stadt sind, hat der Stadtrat auch die Kompetenz, die Bedingungen zur Vergabe zu bestimmen.
Auch im kantonalen Richtplan bestand eine 50:50 Regelung für die Vergabe von Bootspfosten. Ein Postulat von Kantonsrat Thomas Hauser, das eine Streichung dieses Passus verlangte, wurde am 24. Januar 2014 erheblich erklärt, worauf der Regierungsrat die Regelung aus dem Richtplan kippte. Damit war der Weg frei für eine Aufhebung der 50:50-Regelung im städtischen Bootsreglement, welches in diesem Sinne überarbeitet wurde und noch andere Neuerungen enthält.
Initiative wird eingereicht 25.5.16
Initiative eingereicht
Rund 1600 Unterzeichner fordern eine Rückkehr zur alten 50:50-Regelung zwischen Motorbooten und motorlosen Weidlingen bei den Schaffhauser Liegeplätzen.
SCHAFFHAUSEN Im Februar hatte der Schaffhauser Stadtrat Simon Stocker (AL) ein neues Reglement über die Benutzung der Bootsliegeplätze vorgestellt. Seit 1986 hatte das Reglement verlangt, dass höchstens die Hälfte der in Schaffhausen liegenden Boote motorisiert sein dürfe. Diese Motorenbegrenzung hatte der Stadtrat mit dem neuen Reglement aufgehoben.
Dagegen regt sich Widerstand. Gestern hat der Verein «Aktion Rhy» seine Volksinitiative zur Beibehaltung der «Fifty-fifty-Regelung» eingereicht. Vor dem Schaffhauser Stadthaus versammelten sich zahlreiche Unterstützer. Bereits sind 1558 Unterschriften beglaubigt. Zusätzlich wurden gestern nochmals rund 50 Unterschriften nachgereicht. «Es werden am Schluss über 1600 sein», sagte René Uhlmann, Präsident der «Aktion Rhy». Nötig sind in der Stadt 600 Unterschriften. Der Stadtrat hat nun ein halbes Jahr Zeit, um dem Parlament eine Vorlage zu unterbreiten. Danach kann die Bevölkerung darüber entscheiden, ob der Anteil motorisierter Boote wieder begrenzt werden soll. «Wir haben keinen Streit mit den Motorbootfahrern gesucht», sagte Köbi Hirzel von der «Aktion Rhy». Es gehe lediglich um eine gewisse Begrenzung der Bootsmotoren. «Das wichtigste Argument dafür ist die Lärmbelastung», sagte Marianne Wildberger. «Wir wollen mehr Ruhe auf dem Rhein.» (Schaffhauser Nachrichten vom 25.5.2016 / dj.)
AZ-Interview vom 14.4.16
«Aktion Rhy» und «Bootsclub Schaffhausen» kreuzen die Klingen
Stachel gegen Schiffsschraube
von Marlon Rusch az Kurt Bürki, als langjähriger Präsident des Bootsclubs besitzen Sie bestimmt selbst ein Boot. Kurt A. Bürki Ja klar, ein offenes Boot mit einem sauberen Innenborder. Es liegt in Büsingen. Wo fahren Sie damit hin? Bürki In neun von zehn Fällen den Rhein hoch bis etwas oberhalb der Hemishoferbrücke. Dort gibt es auf der linken Seite eine Bucht, wo man gut aussteigen kann. Der Spass daran ist übrigens nicht, stundenlang rumzufräsen. Das Schönste ist, sich den Rhein hinuntertreiben zu lassen. René Uhlmann Dann sind wir uns ja für einmal einig. Können Sie eigentlich stacheln, Herr Bürki? BürkiNein, ich kann und darf nicht. Ich habe seit meiner Jugend Verwachsungen im Rücken. UhlmannSonst hätten Sie einen Stachelweidling? Bürki Kaum. Ich mag Sportarten, bei denen ich bewegt werde. Skifahren zum Beispiel, oder Reiten. Da läuft das Pferd. Uhlmann Das geht mit Ihrem Rücken? BürkiMittlerweile leider nicht mehr. Vielleicht können auch Sie eines Tages nicht mehr stacheln, Herr Uhlmann UhlmannDann werde ich auch nicht mehr auf den Rhein gehen. Oder mit Freunden, die noch können. Ich will mir jedenfalls nicht vorstellen, einen Motor zu haben. Allenfalls ein kleines Elektromotörchen, bei dem man nichts hört, das mit Stachelgeschwindigkeit fährt und keine Wellen macht. Aber das ist sehr, sehr vage. Und wohl auch viel zu teuer. BürkiWohl eher noch nicht ausgereift.
Sie sind aber nicht gänzlich abgeneigt? UhlmannBis jetzt hat sich die Frage nicht gestellt. Ich kenne auch 90-Jährige, die noch stacheln. Wenn man das ein Leben lang getan hat, gewöhnt sich der Körper daran. Aber eigentlich geht es mir gar nicht darum, wie sich jemand auf dem Rhein bewegt. Die Wellen und der Lärm stören. Die stören Sie als Stachler. UhlmannDie stören das ganze System. Die Tiere, Fledermäuse zum Beispiel. Motoren gehören einfach nicht auf den Fluss. BürkiHaben Sie den Film «Die Rheinmacher» gesehen? UhlmannNein. BürkiDa haben Sie etwas verpasst. Sie würden Ihre Aussagen zu den Wellen vielleicht ändern. Es braucht nämlich Erosion am Ufer. Sie sagen, der Rhein braucht Motorboote? Bürki(schmunzelt) Ich habe mal in einem Leserbrief geschrieben, der Grand Canyon sei auch nicht von Motoren gegraben worden. Das haben natürlich nicht alle gleich lustig gefunden. Sie kokettieren gerne mit solch platten Aussagen? BürkiWas ich damit sagen will: Der Wellenschlag der Boote schadet dem Rhein nicht. Und die meisten Wellen gibt es immer noch wegen den grossen Rheinschiffen der URh. UhlmannDie verursachen aber eine andere Art von Wellen. Herr Uhlmann, Ihre Naturschutzargumente, die sind schon ein wenig an den Haaren herbeigezogen, oder? UhlmannWenn zum Beispiel nachts ein Motorboot den Rhein hinunterfährt, gibt es eine Störung von einer Viertelstunde, in der die Fledermäuse nicht jagen können. Klar ist das kein Weltuntergang. Aber es ist unnatürlich und passt nicht in die Natur. BürkiUnd wenn im Schaaren grosse Feuer gemacht werden, gesoffen und gejohlt wird? Passt das besser in ein Naturschutzgebiet? Stört das die Fledermäuse nicht? UhlmannDas weiss ich jetzt nicht. Aber ich bin genug oft auf dem Rhein, um zu wissen, dass Sie übertreiben.
Fakt ist, ein Motorboot tangiert die Umwelt mehr als ein Stachelweidling. Kümmert Sie das nicht, Herr Bürki? Sind Sie ein Egoist? BürkiFragen Sie doch mal die Fischer. UhlmannAch, diese komischen Laich-Argumente. Die höre ich erst, seit es die Auseinandersetzung mit den Motorbötlern gibt. BürkiDiese Argumente haben wir nie verwendet. Aber zum Egoismus: Wo fängt der denn an? Bin ich Egoist, wenn ich mit dem Auto in die Stadt einkaufen gehe? UhlmannSie können den Rhein nicht mit einer Strasse vergleichen. BürkiDann eben Freizeit: Sind Reiter im Wald Egoisten, weil sie die Wildtiere verscheuchen? Ich finde nicht. Und wenn ich auf dem Rhein ein Ruderboot sehe, gehe ich vom Gas. UhlmannDa sind Sie aber einer der wenigen. BürkiNein, sicher nicht. Wenn mal ein Motorbootfahrer sündigt, hat er meist eine Konstanzer Nummer und kommt vom See herunter. Das ist aber eher die Ausnahme. Sind die Konstanzer Rabauken? BürkiDie haben einfach oft grosse Schiffe und halten sich nicht immer an die Geschwindigkeitsvorschriften. UhlmannIch finde, die fahren eher anständig. Herr Uhlmann, die «Aktion Rhy» hat eine Volksinitiative lanciert, um die Fifty-fity-Regelung wieder einzuführen. Warum braucht es diese Initiative? UhlmannWeil sonst in wenigen Jahren 30 bis 50 neue Motorweidlinge eingewassert werden. Und viele Stachler umrüsten. BürkiIch habe mich bei den Bootsbauern umgehört. Alle zusammen haben bisher vier Anfragen für Umbauten. Zwei davon mussten sie gleich ablehnen, weil die Boote sowieso nicht zugelassen würden. Ihr traut eurer eigenen Gefolgschaft nicht! Das sind doch alles so supertreue Stachler. Die werden doch nicht plötzlich umschwenken. Dann brauchen Sie ja eigentlich auch keine Angst zu haben, dass die Motorbötler mit fity-fity zu kurz kommen. Fünfzig Prozent Stachler, fünfzig Prozent Motörler – das ist doch eigentlich nichts als fair, oder? BürkiNein, das ist nicht fair. Da werden die einen privilegiert, andere unterdrückt. Wie meinen Sie das? BürkiWenn einer einen Motor will, soll er einen montieren dürfen. Ich bin sicher nicht der Einzige, der aus gesundheitlichen Gründen nicht stacheln kann. Und ich will auf den Rhein. Mit Fairness hat das wenig zu tun. BürkiIch wäre aber dafür – und da mache ich jetzt ein wenig in meine eigene Hose, weil viele im Bootsclub dagegen sind –, dass alle Motorbootfahrer eine Prüfung ablegen müssten. UhlmannDas sagen wir schon lange. BürkiIch habe diesbezüglich mal einen Vorstoss gemacht, der wurde vom Kanton aber abgelehnt, mit Verweis auf die Bodensee-Schifffahrtsordnung. Wäre die Prüfung obligatorisch, gäbe es auch weniger Lärm, weil die Leute bewusster fahren würden. Und das Gefahrenpotenzial wäre niedriger. So ein Fährboot, wie Sie auf diesem Bild in den «SN» eines gefahren haben, mit 13 Leuten an Bord … Uhlmann… Ein Weidling war das, mit 33 Leuten. BürkiEben! Völlig überladen! Strafbar! (schmunzelt) UhlmannSie haben die Erklärung zu diesem Bild nicht gelesen. BürkiDoch, Sie seien nahe am Ufer gefahren, sodass es legal gewesen sei. Das hat aber nicht gestimmt, wir haben das Foto metrisch ausmessen lassen. Wir haben das aber nicht in die Diskussion eingebracht, weil wir über der Gürtellinie bleiben wollten. Oder haben Sie mal einen Leserbrief von uns gelesen, der unter der Gürtellinie war? UhlmannUnter der Gürtellinie vielleicht nicht, aber inhaltlich nicht immer ganz korrekt. BürkiAber sicher doch. Zur Initiative: Wagen Sie bitte eine Prognose. Wird sie angenommen? UhlmannWir lancieren doch keine Initiative, von der wir nicht überzeugt sind. Und die Resonanz bisher ist super. Dass wir die 600 Unterschriften zusammenbekommen, daran zweifle ich jedenfalls überhaupt nicht. BürkiIch auch nicht. Wird sich der Bootsclub auch engagieren, um die Initiative zu bekämpfen? Bürki Ich bin nicht mehr Präsident und den Neuen müssen wir erst einmal Fuss fassen lassen. Aber die Hände in den Schoss legen wird er wohl kaum. Der Bootsclub hat in den 80er-Jahren als angeblich erster Verein schweizweit eine Abstimmung gewonnen – gegen das totale Motorbootverbot an Schaffhauser Pfosten, das ihr damals wolltet. UhlmannJa, das war übertrieben. Aber wer weiss, vielleicht sind wir bald der schweizweit zweite Verein.
Quelle: Schaffhauser AZ vom 14. April 2016
Hüt im Gschpröch (Video)
René Uhlmann vs. Simon Stocker Gespräch zwischen René Uhlmann von der Aktion Rhy und Stadtrat Simon Stocker über die 50:50 Initiative der Aktion Rhy, über die am 24. September 2017 in der Stadt Schaffhausen abgestimmt wird. Aufgezeichnet vom Schaffhauser Fernsehen SHf.
Oder zum Anhören:
Protokoll Grosser Stadtrat 7.3.17
Politik im Saal (Video) 6.9.17
Politik im Saal (SN) 7.9.17
Bild Selwyn Hoffmann
Weidlingsdebatte schlägt emotionale Wellen
Bei «Politik im Saal» wurde gestern über die «Fifty-fifty» Initiative debattiert: Braucht es weiterhin eine Beschränkung des Anteils der Bootsmotoren an den Schaffhauser Liegeplätzen, um den Erholungsraum Rhein zu schützen? Von Daniel Jung
Die Stachler waren gestern im Publikum klar in der Mehrzahl, als bei «Politik im Saal» im Zunftsaal zun Kaufleuten über die «Fifty-fifty»-Initiative der Aktion Rhy diskutiert wurde. Als Moderator und SN-Chefredaktor Robin Blanck die Gäste fragte, wer mit Muskelkraft auf dem Rhein unterwegs sei, hoben die meisten der rund 35 Besucher ihre Hände. Motorbootfahrer waren deutlich in der Unterzahl. Auf dem Podium diskutierten Hanna Engelhart, Vertreterin der Aktion Rhy und Studentin an der Uni Freiburg, sowie der Schaffhauser Sicherheitsreferent Simon Stocker. Der Stadtrat hatte die sogenannte 50:50-Regel bei den Bootsliegeplätzen im letzten Jahr abgeschafft, als er ein überarbeitetes Weidlingsreglement in Kraft setzte. Damit wurde die Regel, die 1986 eingeführt worden war, aufgehoben.
«Sinnvoller Kompromiss» Engelhart hatte sich in ihrer Maturarbeit mit dem Thema der Weidlingspfosten in der Stadt Schaffhausen befasst (SN vom 21. April 2015). Sie argumentierte, dass die 50:50-Regel einen sinnvollen Kompromiss darstelle, den es beizubehalten gelte. Durch diese Regel könne verhindert werden, dass der Verkehr mit den Motorbooten auf dem Rhein überborde. Es gehe der Aktion Rhy keineswegs um ein Verbot von Motoren, jedoch stellten die motorisierten Boote in ihrer Gesamtheit eine grosse Lärm- und Geruchsbelastung dar – für Natur, Stachler, Schwimmer, Spaziergänger und Jogger am Ufer. Der von Motorbooten ausgelöste Wellenschlag störe andere Verkehrsteilnehmer auf dem Fluss und beschädige die Flussufer. Letztlich gehe es bei der Initiative darum, Hektik auf dem Rhein zu verhindern. «Was wir wollen, ist Entschleunigung», sagte Engelhart. Davon würden alle profitieren. Stadtrat Simon Stocker erklärte, dass sich die heutige Situation deutlich von jener im Jahr 1986 unterscheide, als die 50:50-Regelung eingeführt wurde. «Das Verhältnis zwischen motorisierten und nicht motorisierten Booten ist heute anders», sagte er. In den letzten 30 Jahren habe der angestrebte Ausgleich erfolgreich stattgefunden. Auch die ökologischen Voraussetzungen hätten sich geändert: «Damals waren viele Motoren noch richtige Dreckschleudern, sie waren laut und verursachten starken Wellenschlag.» Heutige Elektromotoren seien dagegen emissionsarm und verursachten kaum Wellen. Die bisherige Erfahrung zeige, dass primär Elektromotoren dazugekommen seien – seit dem Wegfall der 50:50-Regel im April 2016 sind 13 Boote mit Motoren ausgerüstet worden, davon aber 12 mit elektrischen Antrieben. «Wir haben nicht die Erwartung, dass die Zahl der Bootsmotoren nun überbordet», sagte Stocker.
«Unnötiges Experiment» «Auch wir begrüssen grundsätzlich die Entwicklung bei den Elektromotoren», sagte Hanna Engelhart. Dennoch sei es richtig, dass die «Fifty-fifty»-Initiative auch diese beschränke. Insbesondere könnten künftig viel stär- kere Elektromotoren auf den Markt kommen, die wiederum starken Wellenschlag erzeugen würden. «Es gibt schon heute Elektromotoren mit 80 PS», sagte Engelhart. Sie kritisierte generell, dass der Stadtrat zu blauäugig sei, wenn er keine starke Zunahme des motorisierten Verkehrs erwarte. «Es ist ein unnötiges Experiment», sagte sie über die Abschaffung der Ausgleichsregel. Stadtrat Stocker entgegnete, dass die Schaffhauser Bevölkerung mündig genug sei, um die Entscheidung über einen Bootsmotor selber zu treffen. «Ich traue es den Schaffhausern zu, nicht auf Dreckschleuder-Technologien zu setzen», sagte der Stadtrat. Insbesondere für ältere Personen sei die neue Möglichkeit, einen elektrischen Hilfsmotor einzusetzen, sehr wertvoll. «Viele Leute wählen heute eine Mischform», sagte er. Zudem könne der Stadtrat zu einem späteren Zeitpunkt das Reglement auch wieder anpassen, falls der motorisierte Verkehr tatsächlich überborden sollte. Auf dem Podium zeigte Stocker einige Sympathien für die Argumente der Aktion Rhy. Dennoch musste er sich im Anschluss an die Podiumsdiskussion harte Vorwürfe anhören, weil die emotionalen Wogen unter den Gästen durchaus hoch gingen. Der Stadtrat habe die neue Regelung heimlich gemacht, der Stadtrat könne nicht rechnen oder habe gar den Pfad der Rechtsstaatlichkeit verlassen. Solche Vorwürfe wies Stocker zurück. Er sei sich darüber bewusst gewesen, dass Änderungen am Weidlingsreglement auf Widerstand treffen würden. Weil die Revision insgesamt aber für viele Personen eine Verbesserung gebracht habe, sei es richtig gewesen, diesen «heiligen Gral» anzufassen.
Initiative angenommen
61,0 Prozent Ja-Stimmen hat die «Fiftyfifty»-Initiative an der Urne erreicht. Nun werden künftig nur noch höchstens 50 Prozent der Weidlinge motorisiert sein.
Gross ist die Freude und Erleichterung der Aktivisten des Bündnisses Aktion Rhy gewesen, als Stadtpräsident Peter Neukomm gestern im Feuerwehrdepot um kurz vor drei Uhr die Abstimmungsergebnisse mitteilte. Die Initiative «Bootsliegeplätze fiftyfifty – Für Ruhe und Erholung am Rhein» wurde bei einer Stimmbeteiligung von 66,8 Prozent klar mit 8356 Ja-Stimmen (61,0 Prozent) gegen 5346 Nein-Stimmen (39,0 Prozent) angenommen. «Es ist genau so gekommen, wie ich es erwartet habe», sagte Neukomm. So habe sich nach dem Stadtparlament nun auch das Stimmvolk für die Wiedereinführung der Begrenzung des Anteils der Bootsmotoren bei den Weidlingspfosten in der Stadt Schaffhausen ausgesprochen. In Zukunft wird höchstens die Hälfte der Boote motorisiert sein dürfen. Es liegt nun am Stadtrat, das Reglement entsprechend anzupassen. «Es gilt, einen guten Modus zu finden», sagte Stadtrat Simon Stocker. Zwei Vorgehensweisen kommen infrage (siehe Box unten).
René Uhlmann, Präsident der Aktion Rhy, war vom klaren Ergebnis überrascht und zugleich erleichtert: «Ich fühle mich sehr gut», sagte er. Die 30 Jahre alte Fiftyfifty-Regelung hatte der Stadtrat im April 2016 im Rahmen einer Gesamterneuerung des Weidlingsreglements für die Stadtschaffhauser Bootsliegeplätze aufgehoben. Er war somit gegen die Initiative. «Das Abstimmungsergebnis ist aber klar und deutlich und lässt keine Fragen offen», sagte Stocker.
Klares Ergebnis: Kleine Gruppe, grosse Bewegung
Stadtrat und Sicherheitsreferent Simon Stocker akzeptierte das Abstimmungsergebnis anerkennend: «Es freut mich, dass es so klar ausgefallen ist.» Es sei zwar nicht die Position des Stadtrates gewesen, aber die Revision des Weidlingsreglements bleibe ja grösstenteils erhalten. So sei die Frage nach der Motorisierung nur ein kleiner Teil davon, aber zugleich der emotionalste: «Es geht um den Rhein, ein Heiligtum, sowie um das Stacheln, ein kulturelles Gut.» Nun werde die Fiftyfifty-Regelung in der Stadtverfassung wortwörtlich verankert. Den Initianten sei es gelungen, den Rhein als zu erhaltendes Naherholungsgebiet darzustellen. «Sie haben als kleine Gruppe eine grosse Bewegung in Gang gesetzt.» Nun liege es am Stadtrat, dieses «unmissverständliche» Ergebnis umzusetzen.(tva)
Der Präsident des Bündnisses Aktion Rhy, René Uhlmann, war mit dem klaren Ergebnis sehr zufrieden. «Ich habe damit gerechnet, dass wir es schaffen, aber sicher nicht so deutlich», sagte er. «Wir hatten klar die besseren Argumente.» Die Stimmbürger hätten eingesehen, dass es sinnlos sei, eine 30 Jahre alte, funktionierende Regelung aufzuheben. Die Ja-Kampagne der Aktion Rhy sei zudem gut und sympathisch geführt worden, ohne die Gegner anzugreifen. «Es war viel Enthusiasmus vorhanden. Viele Leute wollten mitmachen und haben sich voll ins Zeug gelegt – mit Einsatz, aber auch mit starken Argumenten.» Auch habe das Motto ‹Ruhe und Erholung am Rhein› gegriffen.» Wir erwarten nun vom Stadtrat, dass er die alte Regelung wieder einführt.»(tva)
Kommentar
Klare Mehrheit für einen ruhigen Rhein
Der Rhein ist ein Teil der Schaffhauser Identität. Wenn es um den Schutz des Flusses geht, dann stimmen die Schaffhauser im Zweifelsfall dafür. Das hat sich gestern wieder einmal bei der Abstimmung zur Volks- initiative «Fiftyfifty» gezeigt.
Nicht nur Stachlerinnen und Stachler, sondern auch die grosse Mehrheit der Stimmbürger, die über gar kein Boot verfügen, möchte die Ruhe auf dem Rhein- abschnitt zwischen Schaffhausen und dem Untersee fördern. Deshalb sagten sie Ja zur Ausgleichsregel, auch wenn die Begrenzung des Bootsmotorenanteils nur bei den 278 Weidlingspfosten der Stadt gilt, und nicht bei den fast 700 anderen Liegeplätzen bis zum Untersee.
Der Schaffhauser Stadtrat hatte die Fiftyfifty-Regelung im letzten Jahr abgeschafft. Ein Grund dafür war der Fortschritt bei den Bootsmotoren, die leiser und umweltfreundlicher geworden sind. Die Mehrheit der Schaffhauser Stimmbürger beurteilt die Situation aber anders und hat die Regelung nun gar in die Stadtverfassung geschrieben. Daher ist klar: Auch künftig darf höchstens die Hälfte der Boote an Schaffhauser Pfosten motorisiert sein – dabei wird zwischen Elektro- und Verbrennungsmotoren kein Unterschied gemacht.
Die Abstimmung ist ein weiterer Erfolg für die Aktion Rhy, die 1973 gegründet wurde. In den 70er-Jahren war sie am Widerstand gegen die geplante «Schaarenautobahn» beteiligt gewesen. 2014 wurde das Bündnis reaktiviert, um einen Höherstau des Rheins beim Schaffhauser Kraftwerk zu verhindern, was an der Urne auch gelang. Mit der Volksinitiative «Fiftyfifty» konnte das Bündnis nun einen weiteren politischen Erfolg verzeichnen – und dabei auf die enge Verbundenheit der Schaffhauser zu ihrem Rhein zählen.
Nach Annahme der «Fiftyfifty»-Initiative So soll es jetzt auf dem Rhein weitergehen
Der Schaffhauser Stadtrat wird die Motorenregelung bei der Vergabe der Weidlingspfosten wie auch die Warteliste anpassen müssen. Zwei Varianten stehen zur Diskussion. Bei der ersten Variante wird die heute bereits vorhandene Warteliste für Privatpersonen beibehalten und weitergeführt. «Wird beispielsweise ein nicht motorisierter Liegeplatz frei, fragen wir der Reihe nach jede Person auf der Warteliste, bis die erste zusagt», so Romeo Bettini, Bereichsleiter Sicherheit. Die anderen nicht berücksichtigten Leute würden dabei auf ihrer Position bleiben. Die andere Möglichkeit ist, die derzeitige Warteliste wieder aufzusplitten – auf eine mit und eine ohne Motor. Dazu müsste jede Person auf der heutigen Warteliste angeschrieben werden und sich für oder gegen einen Motor entscheiden. Diese Variante wäre administrativ aufwendiger.(tva)
VON TITO VALCHERA / erschienen in den Schaffhauser Nachrichten am 25. September 2017
Wie weiter?
Fitftyfifty-Regelung nun verankert in der Stadtverfassung. Bei der Umsetzung geht es um technische Fragen. Derweil plant die Aktion Rhy ihr weiteres Vorgehen.
Mit dem Ja an der Urne vom Wochenende wird die Fityfifty-Regelung in der Stadtverfassung festgeschrieben und tritt ab sofort in Kraft. Sie besagt, dass an den städtischen Weidlingspfosten höchstens die Hälfte der Boote motorisiert sein dürfen. An der heutigen Stadtratssitzung wird Stadtrat Simon Stocker zwei mögliche Ausführungsvarianten aufzeigen. «Es ist eine rein technische Frage», sagt Stocker. Entweder wird es wieder wie vorher zwei Wartelisten geben. Dazu müssten alle wartenden Leute auf der jetzigen Liste angeschrieben oder mündlich befragt werden und sich für oder gegen einen Motor entscheiden. Oder man behält die bisherige Warteliste und der Erste darauf wird angefragt, ob er einen motorisierten oder motorlosen Pfosten möchte. Lehnt er ab, wird der Nächste auf der Liste angefragt.
Nächste 13 Weidlinge motorlos
Die Fiftyfifty-Regelung galt während rund 30 Jahren. Sie wurde jedoch im April 2016 im Zuge eines neuen Reglements für die Weidlingspfosten abgeschafft. Seither sind 13 Boote mit Motoren ausgerüstet worden. 12 davon haben Elektromotoren, die laut Initiative ebenfalls als Motorisierung gelten. René Uhlmann, Präsident des Bündnisses Aktion Rhy, geht daher davon aus, dass die nächsten 13 Boote, die neu hinzukommen, motorlos sein werden. «Erst wenn dann das Gleichgewicht wiederhergestellt ist, kommen abwechslungsweise Weidlinge mit und Weidlinge ohne Motoren zum Zug», so Uhlmann.
Eine Rolle dabei spielt auch die mit der Reglementsänderung im vergangenen Jahr eingeführte Liste für Vereine. «Es handelt sich um Pfosten von ausserkantonalen Nutzern, die zurückgegeben werden müssen und die wir gezielt an Vereine vergeben», erklärt Stocker. Bislang hätten sechs Vereine jeweils einen dieser Pfosten erhalten und fünf davon sich für motorlose Weidlinge entschieden. Weitere 18 solcher Pfosten sollten spätestens bis Ende März 2018 frei werden. «Diese Weidlinge werden wir abwechslungsweise an Vereine und Privatpersonen vergeben», sagt Stocker.
Elektro- statt Benzinmotoren
Das Bündnis Aktion Rhy hat sich bereits in den 70er- und 80er-Jahren für naturnahe Themen eingesetzt. 2014 hat es beim Höherstau des Rheins beim Kraftwerk an der Urne mitgekämpft. «Das war eine erste Wiederbelebung, und wir haben wieder Mitgliederbeiträge erhoben und Mitglieder angeworben», sagt Uhlmann. Jetzt zählt der Verein rund 140 Mitglieder. Auch nach dem Abstimmungserfolg will sich die Aktion Rhy für die Erhaltung der Flusslandschaft am Rhein einsetzten. Das genaue Vorgehen soll bei der Vorstandssitzung im Oktober festgelegt werden, doch Ideen gibt es bereits: «Wir möchten, dass die Weidlinge mit Benzinmotoren auf Elektromotoren umgerüstet werden, denn letztere sind ökologischer, leiser und verursachen weniger Wellengang.»
VON TITO VALCHERA / Schaffhauser Nachrichten vom 26. September 2017