AZ-Interview vom 14.4.2016

«Aktion Rhy» und «Bootsclub Schaffhausen» kreuzen die Klingen

Stachel gegen Schiffsschraube

von Marlon Rusch
az Kurt Bürki, als langjähriger Präsident des Bootsclubs besitzen Sie bestimmt selbst ein Boot.
Kurt A. Bürki Ja klar, ein offenes Boot mit einem sauberen Innenborder. Es liegt in Büsingen.
Wo fahren Sie damit hin?
Bürki In neun von zehn Fällen den Rhein hoch bis etwas oberhalb der Hemishoferbrücke. Dort gibt es auf der linken Seite eine Bucht, wo man gut aussteigen kann. Der Spass daran ist übrigens nicht, stundenlang rumzufräsen. Das Schönste ist, sich den Rhein hinuntertreiben zu lassen.
René Uhlmann Dann sind wir uns ja für einmal einig.
Können Sie eigentlich stacheln, Herr Bürki?
Bürki Nein, ich kann und darf nicht. Ich habe seit meiner Jugend Verwachsungen im Rücken.
Uhlmann Sonst hätten Sie einen Stachelweidling?
Bürki Kaum. Ich mag Sportarten, bei denen ich bewegt werde. Skifahren zum Beispiel, oder Reiten. Da läuft das Pferd.
Uhlmann Das geht mit Ihrem Rücken?
Bürki Mittlerweile leider nicht mehr.
Vielleicht können auch Sie eines Tages nicht mehr stacheln, Herr Uhlmann
Uhlmann Dann werde ich auch nicht mehr auf den Rhein gehen. Oder mit Freunden, die noch können. Ich will mir jedenfalls nicht vorstellen, einen Motor zu haben. Allenfalls ein kleines Elektromotörchen, bei dem man nichts hört, das mit Stachelgeschwindigkeit fährt und keine Wellen macht. Aber das ist sehr, sehr vage. Und wohl auch viel zu teuer.
Bürki Wohl eher noch nicht ausgereift.

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Kurt A. Bürki: «Ihre Initiative ist ein Sturm im Wasserglas, Herr Uhlmann.»

Sie sind aber nicht gänzlich abgeneigt?
Uhlmann Bis jetzt hat sich die Frage nicht gestellt. Ich kenne auch 90-Jährige, die noch stacheln. Wenn man das ein Leben lang getan hat, gewöhnt sich der Körper daran. Aber eigentlich geht es mir gar nicht darum, wie sich jemand auf dem Rhein bewegt. Die Wellen und der Lärm stören.
Die stören Sie als Stachler.
Uhlmann Die stören das ganze System. Die Tiere, Fledermäuse zum Beispiel. Motoren gehören einfach nicht auf den Fluss.
Bürki Haben Sie den Film «Die Rheinmacher» gesehen?
Uhlmann Nein.
Bürki Da haben Sie etwas verpasst. Sie würden Ihre Aussagen zu den Wellen vielleicht ändern. Es braucht nämlich Erosion am Ufer.
Sie sagen, der Rhein braucht Motorboote?
Bürki (schmunzelt) Ich habe mal in einem Leserbrief geschrieben, der Grand Canyon sei auch nicht von Motoren gegraben worden. Das haben natürlich nicht alle gleich lustig gefunden.
Sie kokettieren gerne mit solch platten Aussagen?
Bürki Was ich damit sagen will: Der Wellenschlag der Boote schadet dem Rhein nicht. Und die meisten Wellen gibt es immer noch wegen den grossen Rheinschiffen der URh.
Uhlmann Die verursachen aber eine andere Art von Wellen.
Herr Uhlmann, Ihre Naturschutzargumente, die sind schon ein wenig an den Haaren herbeigezogen, oder?
Uhlmann Wenn zum Beispiel nachts ein Motorboot den Rhein hinunterfährt, gibt es eine Störung von einer Viertelstunde, in der die Fledermäuse nicht jagen können. Klar ist das kein Weltuntergang. Aber es ist unnatürlich und passt nicht in die Natur.
Bürki Und wenn im Schaaren grosse Feuer gemacht werden, gesoffen und gejohlt wird? Passt das besser in ein Naturschutzgebiet? Stört das die Fledermäuse nicht?
Uhlmann Das weiss ich jetzt nicht. Aber ich bin genug oft auf dem Rhein, um zu wissen, dass Sie übertreiben.

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René Uhlmann: «Ich kann mir nicht vorstellen, einen Motor zu haben.»

Fakt ist, ein Motorboot tangiert die Umwelt mehr als ein Stachelweidling. Kümmert Sie das nicht, Herr Bürki? Sind Sie ein Egoist?
Bürki Fragen Sie doch mal die Fischer.
Uhlmann Ach, diese komischen Laich-Argumente. Die höre ich erst, seit es die Auseinandersetzung mit den Motorbötlern gibt.
Bürki Diese Argumente haben wir nie verwendet. Aber zum Egoismus: Wo fängt der denn an? Bin ich Egoist, wenn ich mit dem Auto in die Stadt einkaufen gehe?
Uhlmann Sie können den Rhein nicht mit einer Strasse vergleichen.
Bürki Dann eben Freizeit: Sind Reiter im Wald Egoisten, weil sie die Wildtiere verscheuchen? Ich finde nicht. Und wenn ich auf dem Rhein ein Ruderboot sehe, gehe ich vom Gas.
Uhlmann Da sind Sie aber einer der wenigen.
Bürki Nein, sicher nicht. Wenn mal ein Motorbootfahrer sündigt, hat er meist eine Konstanzer Nummer und kommt vom See herunter. Das ist aber eher die Ausnahme.
Sind die Konstanzer Rabauken?
Bürki Die haben einfach oft grosse Schiffe und halten sich nicht immer an die Geschwindigkeitsvorschriften.
Uhlmann Ich finde, die fahren eher anständig.
Herr Uhlmann, die «Aktion Rhy» hat eine Volksinitiative lanciert, um die Fifty-fity-Regelung wieder einzuführen. Warum braucht es diese Initiative?
Uhlmann Weil sonst in wenigen Jahren 30 bis 50 neue Motorweidlinge eingewassert werden. Und viele Stachler umrüsten.
Bürki Ich habe mich bei den Bootsbauern umgehört. Alle zusammen haben bisher vier Anfragen für Umbauten. Zwei davon mussten sie gleich ablehnen, weil die Boote sowieso nicht zugelassen würden. Ihr traut eurer eigenen Gefolgschaft nicht! Das sind doch alles so supertreue Stachler. Die werden doch nicht plötzlich umschwenken.
Dann brauchen Sie ja eigentlich auch keine Angst zu haben, dass die Motorbötler mit fity-fity zu kurz kommen. Fünfzig Prozent Stachler, fünfzig Prozent Motörler – das ist doch eigentlich nichts als fair, oder?
Bürki Nein, das ist nicht fair. Da werden die einen privilegiert, andere unterdrückt.
Wie meinen Sie das?
Bürki Wenn einer einen Motor will, soll er einen montieren dürfen. Ich bin sicher nicht der Einzige, der aus gesundheitlichen Gründen nicht stacheln kann. Und ich will auf den Rhein.
Mit Fairness hat das wenig zu tun.
Bürki Ich wäre aber dafür – und da mache ich jetzt ein wenig in meine eigene Hose, weil viele im Bootsclub dagegen sind –, dass alle Motorbootfahrer eine Prüfung ablegen müssten.
Uhlmann Das sagen wir schon lange.
Bürki Ich habe diesbezüglich mal einen Vorstoss gemacht, der wurde vom Kanton aber abgelehnt, mit Verweis auf die Bodensee-Schifffahrtsordnung. Wäre die Prüfung obligatorisch, gäbe es auch weniger Lärm, weil die Leute bewusster fahren würden. Und das Gefahrenpotenzial wäre niedriger. So ein Fährboot, wie Sie auf diesem Bild in den «SN» eines gefahren haben, mit 13 Leuten an Bord …
Uhlmann … Ein Weidling war das, mit 33 Leuten.
Bürki Eben! Völlig überladen! Strafbar! (schmunzelt)
Uhlmann Sie haben die Erklärung zu diesem Bild nicht gelesen.
Bürki Doch, Sie seien nahe am Ufer gefahren, sodass es legal gewesen sei. Das hat aber nicht gestimmt, wir haben das Foto metrisch ausmessen lassen. Wir haben das aber nicht in die Diskussion eingebracht, weil wir über der Gürtellinie bleiben wollten. Oder haben Sie mal einen Leserbrief von uns gelesen, der unter der Gürtellinie war?
Uhlmann Unter der Gürtellinie vielleicht nicht, aber inhaltlich nicht immer ganz korrekt.
Bürki Aber sicher doch.
Zur Initiative: Wagen Sie bitte eine Prognose. Wird sie angenommen?
Uhlmann Wir lancieren doch keine Initiative, von der wir nicht überzeugt sind. Und die Resonanz bisher ist super. Dass wir die 600 Unterschriften zusammenbekommen, daran zweifle ich jedenfalls überhaupt nicht.
Bürki Ich auch nicht.
Wird sich der Bootsclub auch engagieren, um die Initiative zu bekämpfen?
Bürki Ich bin nicht mehr Präsident und den Neuen müssen wir erst einmal Fuss fassen lassen. Aber die Hände in den Schoss legen wird er wohl kaum. Der Bootsclub hat in den 80er-Jahren als angeblich erster Verein schweizweit eine Abstimmung gewonnen – gegen das totale Motorbootverbot an Schaffhauser Pfosten, das ihr damals wolltet.
Uhlmann Ja, das war übertrieben. Aber wer weiss, vielleicht sind wir bald der schweizweit zweite Verein.

Quelle: Schaffhauser AZ vom 14. April 2016